GEDICHTE




GEGENGEWICHT

Dieses Gedicht ist ein kleines Gegengewicht
auf der Schale der Waage,
auf der immer zuwenig liegt.
Ein Gegengewicht zum Autolärm,
zu überfüllten Wartezimmern,
ein Gegengewicht zu den Nachrichten,
zu Schlagzeilen und Schlagbäumen,
Hochstraßen und Dampfwalzen,
Herzinfarkt und Krebsverdacht.
Ich lege es vorsichtig auf die Waagschale
zu all den andren leichten Dingen...
Einen Moment erschien es mir,
als hätte sich etwas verändert.









KLEINE MORGENGYMNASTIK

Ich stehe mit dem
richtigen Fuß auf,
öffne das
Fenster der Seele,
verbeuge mich vor allem,
was liebt,
wende mein Gesicht
der Sonne entgegen,
springe ein paarmal
über meinen Schatten
und lache mich gesund.









TAGESPROGRAMM

Heute will ich
aus dem Rahmen fallen
und weich landen,
dann zu der Musik
in meinem Kopf
schön aus der Reihe tanzen,
mich zum Ausruhen
zwischen die Stühle setzen,
danach ein bißchen
gegen den Strom schwimmen,
unter allem Geschwätz wegtauchen
und am Ufer der Phantasie
so lange den Sonnenschein genießen,
bis dem Ernst des Lebens
das Lachen vergangen ist.









ÜBERLEGUNGEN

Wer so lachen kann wie du,
sollte eine Sprache erfinden,
die alle Welt versteht.

Wer so weinen kann wie du,
sollte allabendlich im Fernsehen
die Nachrichten verlesen.

Wer so schweigen kann wie du,
sollte den Mund
nur noch zum Küssen öffnen.

Wer so leiden kann wie du,
sollte Mutter Erde um Verzeihung bitten
für die Zerstörungswut der Menschenkinder.

Wer so lieben kann wie du,
sollte immer dort sein,
wo die Angst am größten ist.









ABER

Scheitern,
aber nicht verbittern.

Betrogen werden,
aber nicht betrügen.

Illusionen aufgeben,
aber nicht die Hoffnung.

Enttäuschungen erleiden,
aber nicht resignieren.

Sich abfinden,
aber nicht abstumpfen.

Belogen werden,
aber aufrichtig bleiben.

Träume verlieren,
aber nicht das Träumen.









SOMMERGEDANKEN

Ich nehme mein Leben
in die Hand.
Leicht ist es
und gut zu fühlen.

Zeit gilt nicht,
wenn alles lauscht
und nur der Atem geht
wie sanfter Wind durchs Gras.

Ich schaue hoch.

Wer ich bin,
ist nicht zu sagen;
ich mache mir keinen Vers auf mich;
kein Wort ist so grün
wie die Blätter der Bäume.

Ich bleibe auf dem Teppich
meiner Möglichkeiten
und hoffe,
daß er fliegen lernt.









LASS SIE NICHT EIN

Wie schön es ist
im Irrgarten deiner Illusionen,
wie gut es duftet
nach Phantasie und Sehnsucht,
die sich nicht begnügt
mit dem Möglichen.
Noch hat die Hitze der Entbehrung
sein üppiges Gras nicht verbrannt,
noch hat der Hagel der Enttäuschung
seine bunten Blumen nicht geknickt,
noch können die Bäume flüstern,
und ihre Früchte schmecken
nach ewiger Freude.

Laß sie nicht ein,
die ernsten, forschen Gärtner
mit den Sicheln und Heckenscheren,
den Sägen und Äxten,
die gerade Wege anlegen wollen,
damit niemand sich mehr in dir verirrt.
Sie wissen nicht, was Schönheit ist.

Laß nur jene in dein Labyrinth,
die Hoffnung in den Händen tragen
und Zärtlichkeit in ihren Augen,
die Tage nicht nach Stunden messen
und ihr Herz öffnen
dem Zauber hinter den Erscheinungen –
und dabei ganz vergessen,
den Ausgang zu suchen.









NUR FÜR DICH

Für dich lasse ich meine Blicke aufblühen,
gehe in meinen Gefühlen baden,
putze meine Gedanken,
bis sie glänzen.

Für dich tanze ich auf einem Bein,
singe laut auf offener Straße,
mache mich zum Gespött der Leute.

Für dich bringe ich mir die Flötentöne bei,
heule den Mond an,
frühstücke um Mitternacht.

Für dich nehme ich das Leben
auf die leichte Schulter
und gehe damit
bis ans Ende der Welt -
wenn du dort auf mich wartest.









BRANDSTIFTUNG

Auf dich war
ich nicht vorbereitet.
Wie ein Blitz
aus heiterem Himmel
hast du mein Herz getroffen
und in Brand gesteckt -

ein Feuer,
in das du
deine Hände legen kannst.









ANS LICHT

Sag deiner Seele,
sie soll ihr
schönstes Kleid tragen
heute abend.
Sag ihr,
es ist soweit:
die Sterne haben
ihren Segen gegeben.
Was nun geschieht,
führt näher ans Licht.









DAS BIST DU

Wie klares Wasser.
Wie blauer Himmel.
Wie feiner weißer Sand
bist du.

Wie Muscheln am Strand.
Ein Schmetterling im Wind.
Wie ein Schweigen,
das alles umarmt -
so bist du.
Ein Freudenfeuer
in der Nacht der Welt,
ein Lächeln im Gesicht des Mondes.
Die wahre schöne Stille
abseits vom Lärm der Schauspieler -
das bist du.









IM MONDLICHT

Wir gingen langsam
im Mondlicht über die Hügel.
Das Rauschen des Meeres
drang zu uns hinauf,
der prächtige Sternenhimmel
verzauberte unsere Schritte,
die Sommerluft duftete
nach purem Leben.

Ich habe dir nicht gesagt,
daß ich mich
wie neugeboren fühlte,
daß ich glücklich war.
Ich habe geschwiegen
und ich werde immer schweigen,
wenn ich an diese Nacht denke.

Ich werde die Augen schließen,
das Zirpen der Grillen hören
und deine Hand in meiner fühlen.









DIE ÜBERRASCHUNG

Ich träumte mich in ein Zugabteil
der Deutschen Bundesbahn hinein.
Ein Kontrolleur riß die Tür auf
und wollte mein Fahrkarte sehen.
Ich brauche keine Fahrkarte,
sagte ich freundlich,
ich bin nur im Traum hier,
aber der Schaffner glaubte mir nicht.
Er dachte, ich wollte ihn hochnehmen,
und wurde richtig böse.

Als er mich zu beschimpfen begann
und mit der Polizei drohte,
öffnete ich das Fenster
und flog ins Freie.









FLÜSTERNDE BLÄTTER

Schattenspendender Baum,
schmeichelndes Sonnenlicht.
Blätter flüstern im Wind,
versprechen magische Abende
in Räumen, wo die Phantasie
die Wirklichkeit verführt.
Und die Zeit löst sich auf
in der Tiefe unsres Lächelns.









ERMUTIGUNG

Steh zu dir,
sooft du auch
gefallen bist.

Nimm dich wahr,
wie lange du dich
auch verleugnet hast.

Bleib dir treu,
sooft du dich auch
noch betrügen magst.

Geh mit dir,
und wenn du dich
tausendmal in die Irre führst.

Nick dir zu,
selbst wenn die ganze Welt
den Kopf über dich schüttelt.

Glaub an dich,
dann hast du einen Glauben,
der dir weiterhilft.









NICHT GENUG

Intelligenz ist nicht genug,
wenn Weisheit fehlt.

Optimismus ist nicht genug,
wenn Kraft fehlt.

Leben ist nicht genug,
wenn Zauber fehlt.

Freundschaft ist nicht genug,
wenn Vertrauen fehlt.

Liebe ist nicht genug,
wenn Mut fehlt.

Ich bin nicht genug,
wenn du fehlst.









IMMER WIEDER

Mit dir wag ich das Unwägbare,
gehe über meine Grenzen
und schicke mein Schicksal
auf den Weg zu sich selbst.

Mit dir kann ich nicht fehlen,
denn nichts fehlt mir
in deiner Nähe.

Wenn du an meiner Seite bist,
ist die Zeit auf meiner Seite -

und nichts und niemand
kann mir das Lächeln nehmen,
das ich dir immer
wieder schenken will.









FEUERVÖGEL

Als Feuervögel flogen wir
in das Land ohne Worte
und ohne Erinnerung,
wo jeder Augenblick
aus sich selbst entsteht
und nichts aufeinander aufbaut,
weil es keine Zeit gibt -
nur den Zauber,
der Träumen Wirklichkeit schenkt,
nur die berauschende Musik
ineinander versunkenen Lebens.

Als Feuervögel flogen wir
dem Himmel in die Arme
und kannten keine Grenzen.

Das war vor Tagen;
seitdem hat die Erde uns wieder.

Aber wer einmal so zusammenflog,
der will nichts andres mehr.









GISCHT

Wir tranken
den Sonnenuntergang
über dem Meer
mit tiefen Atemzügen.
Unsere Freude
stand wie ein Fels
in der Brandung,
und unsre Liebe
flog wie die Gischt
hoch in den Wind.

Wir sahen uns nicht an,
doch unsre Blicke waren eins
hinter dem Horizont.









SO VIELES AN DIR

Neulich sagtest du mir,
meine Liebe stehe
immer neben dir,
und wenn mal was daneben gehe,
flüstere sie dir ins Ohr:
„Macht nichts.“

Gestern gingen wir nebeneinander
durch die Straßen,
und plötzlich mußte
ich dich mitten auf
dem Gehweg an mich drücken,
denn deine Art,
neben mir zu gehen,
ließ mir keine andere Wahl.

So vieles an dir kommt zu mir,
als wäre es das erste Mal.

Deine kleinen leisen
Küsse durchs Telefon –
wie bunte Liebesperlen,
die vom Ohr direkt
in den Bauch kullern.

Dein langes Schweigen,
das mir so sachte hilft,
überflüssige Worte ungesagt
abzuwerfen wie Sandsäcke
beim Aufstieg in größere Höhen.

So vieles an dir,
das mich trifft und bewegt
und mir durch und durch geht.

Wenn der Clown in dir
zu tanzen anfängt
und verrückte Kußhände
in mein Herz wirft.

Wenn das kleine Mädchen
in dir nackt und vertrauensvoll
sich in meine Achselhöhle kuschelt
und wie berauscht
unserem Atem lauscht.

So vieles an dir,
das mich immer wieder
überrascht und rührt –
und sanft und sicher
ins Innerste
des Lächelns führt.


Die Gedichte wurden aus den Büchern
EIN BISSCHEN GLÜCK FÜR JEDEN TAG, JEDE LIEBE IST EIN WUNDER, DAS LEBEN HAT TÄGLICH GEBURTSTAG und GANZ FÜR DICH ausgewählt.

© an den Texten und Photos by Hans Kruppa

© an den Illustrationen by Catherine Ducloux

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